Nachdem letztes Jahr unser Versuch, die Hochtirol-Skitour zu gehen, aufgrund unablässigen Schneefalls in einem Wellnesshotel in Kasern steckengeblieben war, unternehmen wir dieses Jahr einen neuen Anlauf. Die Skifreunde aus Nordbaden-Württemberg Michael, Anja, Felix und Matthias treffen sich in aller Herrgottsfrühe in Neuenstadt. Mit der Aussicht auf ein Paar Skischuhe zum Kleinanzeigen-Schnäppchenpreis auf dem Campingplatz Krimml zu erwerben, steht man gern noch eine halbe Stunde früher auf. In Zell am Ziller treffen wir auf Peter und Petra. Nun ist unsere Gruppe vollständig und fährt die Etappe nach Ginzling mit Bahn und Elektrobus. Soweit das Auge blickt, liegt kein Krümelchen Schnee. So besinnt sich die Wandergruppe “Skitransport” ihrer traditionellen Qualitäten und beginnt einen laaaaangen Aufstieg. Nach 2-3 Stunden dürfen sich die Schultern freuen, denn die Skier kommen nun dahin, wo sie hingehören: an die Füße. Wir liefern uns anschließend ein Wettrennen mit den letzten Sonnenstrahlen hinauf zum Winterraum der Greizer Hütte. Ein Viertel der Tür und ein halbes Fenster schauen aus dem Schnee heraus und so dauert es nicht lange, bis wir uns den Eingang freigegeben haben. Petra kredenzt uns Pasta mit Pesto zum Abendessen. Felix fällt auf, dass er nicht nur seine Stirnlampe vergessen hat, sondern auch sein Frühstück für den nächsten Tag. Doch dem Mann kann geholfen werden. Schätzungsweise ein Kilo kalte Nudeln warten auf Felix am nächsten Morgen.

Die Sonne lacht am nächsten Tag und so dauert es nicht lange, bis wir zum Großen Löffler aufsteigen. Eine kleine Rast am Skidepot und dann wollen wir das letzte Stück zum Gipfel hinauf krabbeln. Doch Petras Helm, eben noch als Sitzunterlage in der Pause verwendet, entscheidet sich stattdessen für den raschen Abstieg ins Tal. Zum Glück sind zwei weitere Bergfreunde aus dem Winterraum eine halbe Stunde nach uns aufgebrochen und können so nach ein paar hundert Höhenmeter abwärts die Talfahrt des Helms stoppen.

Peter beschließt seine Kräfte zu schonen, während wir anderen weiter zum Gipfel. Auf dem Rückweg zum Skidepot sind die Tiefblicke dann doch etwas zu beeindruckend und so beschließen wir mangels Eispickel den Abstieg mit einem Seil zu unterstützen. Michael sucht im Joch eine geeignete Stelle, schlägt die Wechte ab, spurt die ersten Meter und ermöglicht so einen Abstieg mit anschließender Abfahrt durch eine anfangs steile, sonnenbeschienene Flanke hinunter ins Ahrntal. Ganz ohne Skitragen gelingt uns der Abstieg nicht, auch wenn große Teile der Gruppe eine 50/50-Waldboden/Schnee-Gemisch noch durchaus als Abfahrt nehmen. 650 Höhenmeter tiefer sitzen wir an einer Bushaltestelle und wirken mit den wuchtigen Skischuhen und warmen Hosen mächtig deplatziert, während die Dorfjugend in T-Shirt und Tanktop eine Wasserschlacht veranstaltet. Rechtzeitig, um noch einer Saunarunde zu frönen, kommen wir an dem aus dem letzten Jahr sehr vertrauten Hotel in Kasern an. Am Abend ziehen noch Hünen mit Stirnlampen los. Sie werden die Hochtirol inkl. Großvenediger und Großglockner innerhalb von 24 Stunden schaffen. Wir lassen uns davon nicht aus der Ruhe bringen. Man braucht ja auch noch Ziele fürs nächste Jahr…

Der folgende Tag hält gute wie schlechte Neuigkeiten bereit. Die gute: Es liegt ordentlich Schnee und mit der Loipe vor dem Hotel können wir direkt auf Skiern starten. Die schlechte: Peter und Petra beenden die Tour frühzeitig. Somit fehlen nun zwei fitte, altbekannte Bergfreunde und das Auto am Zielort. Zu viert steigen wir zum Hinteren Umbaltörl auf und fahren zur Essener-Rostocker Hütte ab. Leider löst sich bei der Abfahrt einer von Felix’ Ski. Es folgt eine langwierige Suche und Sondierung, da der Verdacht im Raum steht, der Ski ist ohne Felix ein gutes Stück unter der Schneedecke weiter bergab gefahren. Die Suche hat ein Ende, als der Ski dann doch oberhalb von Felix’ Einschlagkrater auftaucht.

Am nächsten Morgen nehmen wir Kurs auf den Großen Geiger, das Matterhorn des Obersulzbachtals. Wir steigen bei schönstem Wetter zum Maurertörl auf, erklimmen den Geiger und fahren Gletschersee unterhalb der Kürsinger Hütte ab. Der Schnee ist am frühen Nachmittag schon schwer und nass. Wir bewegen uns im fließenden Übergang zum Wasserskifahren. Anschließend geht es hinauf- und hinab zur Hütte. Sagen wir es mal so, der Weg zieht sich, aber es ist nichts, was ein hopfenhaltiges Kaltgetränk nicht wieder gutmachen kann.

Der fünfte Tag unserer Tour ist gekrönt vom Gipfel des Großvenedigers. Durch eine am Vorabend verabredete Planänderung verzichten wir auf den anschließenden Übergang zur Krimmler Tauernhaus und starten statt 3 Uhr morgens zu einer christlichen Zeit. Vorbei an einem gewaltigen Gletschertor geht es bei guten Bedingungen durch einen Gletscherbruch hinauf zur Venedigerscharte. Einem Tipp folgend, queren wir den (noch) mächtigen Eispanzer und steigen mit Blick über die steile Nordseite zum Gipfel. Den kleinen Gratübergang zum höchsten Punkt machen Windböen spannend. Teilweise auf allen Vieren krabbeln wir hinüber und staunen wenig später, als eine Gruppe den Grat zum Abstieg und Abfahren nutzt. Mein lieber Scholli!

Am letzten Tag unternehmen wir einen Anlauf auf den Keeskogel, den Hausberg der Kürsinger Hütte. Am Platz des Skidepots wird ersichtlich, dass der Weiterweg über große, lose Steine führt. Da der Schnee wenig Abfahrtsspaß verspricht und auch das Wetter nur mäßig ist, drehen wir um. Auf dem Gletschersee Obersulzbachtal angekommen reicht das Ausbreiten der Armee, um sich vom Rückenwind heimwärts treiben zu lassen. Wenig später sitzen wir bei Cappuccino und Strudel in der Postalm und warten auf das Taxi das uns hinunter zum Parkplatz des Tauern-Nationalparks bringen soll. Dann folgt ein kleines Kunststück: zu zwölft plus Hund, Rucksäcken und Skiausrüstung fahren wir im 9-Sitzer ab ins Tal. Wer würde schon auf diesem entlegenen Weg unseren Bus mit den immer wieder aufsetzenden Stoßdämpfern kontrollieren? Und prompt stehen 300m vor der Parkplatzschranke zwei Polizeiautos. Ein kurzes Schwätzchen mit unser Fahrerin und wir können unsere Reise fortsetzen. Nichts kann uns mehr aufhalten. Das deponierte Auto haben Petra und Peter für die Heimfahrt gebraucht?  Kein Problem, Michael organisiert eine Mitfahrgelegenheit. Die Mitfahrgelegenheit fährt den falschen Ort an? Kein Problem, Felix organisiert ein Taxi. Und so endet diese Tour ganz untypisch bereits pünktlich am frühen Abend.

Matthias