Über den Wolken – Angst und Wasser – aber die Freiheit wird grenzenlos sein

Endlich war es soweit. Am Mittwoch den 01.07.2020 trafen wir (Michael, Hans-Jörg, Philipp, Eva) uns um 10:00 Uhr in Gottmadingen. Kurz einen Rucksack-Check, ab über die Grenze nach Handegg. Hier ging die Reise mit dem Ziel „zu Fuß über die Wolken“ los.

Unmöglich! Dachte ich mir noch zu diesem Zeitpunkt. Aber es sollte sich herausstellen, dass es Hürden zu überwinden gibt, die undenkbar sind.

Im ersten Abschnitt ging es ca. 4 Stunden bergauf. Ob Wiese, Wald oder Steine. Wir hatten jede Menge zu erzählen und trotz des schwülen und sonnigen Wetters liefen wir höher und höher.  Plötzlich meinte das Wetter uns einen Streich spielen zu müssen. Nebel zog auf und teilweise wollte es regnen. Immer wieder kam die Sonne hervor und es war deutlich erkennbar, dass es genau da regnet wo wir nicht waren. Endlich der Gröebeseewli und siehe da, die ersten Schneefelder waren zum Überqueren da.  Die Hütte war bereits – trotz Nebel und Regen – zu sehen. Wir mussten einmal um den See herum und dann ca. 15 min steil bergauf bis wir das heutige Tagesziel erreicht hatten. An der Hütte angekommen, ließ just der Regen wieder nach und wir konnten bei Sonnenschein draußen gemeinsam auf den ersten Tag anstoßen. Der Tag ging zu neige und unser Chefkoch Michael zauberte uns Spagetti mit Pesto auf den Tisch. Das Essen ließ alle Herzen schneller schlagen.

Gegen 5 Uhr klingelte der Wecker zum ersten Mal. Um 6 Uhr ging es gestärkt mit selbstgemachtem Kaffee und Marmeladenbrot los. 2 Scharten waren heute zu überwinden. Wir nahmen den Weg von der Hütte Richtung See, beschlossen kurz darauf, dass wir den direkten Weg über das blanke Eis im Grubengletscher Richtung Scharte nehmen. Der Einstieg zur Scharte war leicht zu finden – wo wir den Übergang laut Karte vermutet hatten.

Ich durfte in den Genuss kommen am Seil zu klettern. Vor uns lag nämlich Schrofengelände das gruselig steil und verschneit war. Michael stieg routiniert vor und holte mich nach. Philipp und Hans-Jörg gingen wie Michael aufgrund Ihrer Erfahrungen seilfrei. Oben angekommen, gab es ein weiteres: „Ich kann es kaum fassen wie toll es hier oben ist“.

Kurz ausgeschnauft und dann Querfeldein ein über das Geröll wieder runter ins Bächlital zur nächsten Scharte. Hier wurde es spannend, schon von weitem kamen Diskussionen auf, wo wir am besten durchkommen. Wir sind uns einig: Es kann nur der tiefste Punkt sein. Wir liefen voller Begeisterung in großem Bogen, zusammen am Seil, auf die „Scharte“ zu. Philipp, der voraus ging traute seinen Augen nicht was er zu sehen bekam. Es ging senkrecht bergab in eine Schlucht. Sofort war uns bewusst: Diesen Weg nehmen wir nicht. Nach langem hin und her, konnte man, direkt über dem Schnee ca. 60m links, eine weiße Markierung sehen. Da war definitiv unser Weg. Aber wie kommen wir dorthin?

Schneeverwehungen sowie eine große Randspalte waren zu überwinden. Da wir alle noch im Seil waren, ging es nun Rückwärts, Hans-Jörg stieg vor.

Eine Spalte sollte ich überspringen! Wie ist das nur möglich? Kaum stand ich davor, konnte ich sehen wie tief diese war. Allen Mut habe ich zusammengerissen und los ging es… einen Sprung aus dem Stand. Naja, die Jungs die liefen einfach darüber. Doch für mich war dies die erste große Hürde.

Am gleitenden Seil kletterten wir am Felsen und durch den Schnee nach oben. Oben angekommen, werden wir auch schon von Paparazzi Philipp erwartet, der von jedem ein Foto macht, der das erste Mal den Kopf, zur atemberaubenden Aussicht „Grimmselsee“, dreht.

Der Abstieg sah ziemlich leicht aus. Ein paar Schneefelder hier, ein paar Felsen da, zwischenrein gab es auch mal den ein oder anderen Wasserfall zu überwinden. Doch ich wurde schnell eines Besseren gelehrt. Nach längerer Zeit im Abstieg, kam kurz vor der Hütte ein Wasserfall, der aufgrund der Schneereichen und Regnerischen Tage zuvor, mächtig Wasser hatte. Mir war etwas mulmig zu Mute und ich wollte mich schon Querstellen. Doch keine Chance – ich musste durch! Ich bevorzugte es dann kurzzeitig doch lieber geduscht an die Hütte zukommen und nahm ein kleines Bad. Michael fand dies nicht berauschend und gab mir sofort die Hand um weiterzugehen. Weiter ging es über den tollen Felsen, ein paar Flüsse überqueren und schon konnten wir den unteren Zustieg zur Lauteraarhütte erkennen. Wir waren motiviert und haben den oberen Weg weiterverfolgt. Nur noch ums Eck und schon konnten wir die Hüttenwirtin erkennen, die sehnsüchtig auf uns gewartet hatte. Nach dem tollen sonnigen Tag, gab es einen leckeren Schokokuchen. Meine sieben Sachen erhielten den ersten Platz in der Sonnenreihe und konnten dadurch schnell trocknen.

Nach dem leckeren Abendessen, kam noch ein weiterer Gast hinzu, der sich in dieser Gegend sehr gut auskennt. Durch die Unterhaltung zwischen dem weiteren Gast und Michael wurde uns schnell bewusst, dass es morgen ein harter Kampf werden wird. Wir hatten rausgefunden, dass wir als erstes 300 Höhenmeter absteigen müssen. Hauptsächlich handele es sich dabei um den Abstieg über Leitern. Die letzte Leiter sollte 100 Höhenmeter hoch sein.

Fertig gepackt und gefrühstückt ging es um 5:30 Uhr los. Wir fanden schnell die Leiter, die wir nach unten mussten, um auf den Lauteraarglestcher zukommen. Viele Höhenmeter und Kilometer lagen vor uns. Trotzdem durfte ich am Seil die Leitern runter gehen, da mir die nassen Eisen nicht geheuer waren. Philipp und Hans-Jörg gehen voraus. Michel als mein Sicherungsmann als letztes. Endlich auf dem Gletscher angekommen, liefen wir erst mal Kilometer um Kilometer auf dem Lauteraargletscher in Richtung Westen. Wobei wir das Gefühl hatten, dass das Geröllfeld nicht aufhören möchte. Unterwegs durfte ich noch merken, dass mein Handschuh verloren ging. Da wir in diesem Schutthaufen keine Chance hatten diesen wiederzufinden, hieß es: Weiter geht´s.

Nach einigen Kilometern, konnten wir trotz den tiefen Wolken und Nebel erkennen, dass wir langsam auf das Eis übergingen. Atemberaubende Gletscherspalten und auch Gletschermühlen machten sich immer wieder bemerkbar.

Da nach einiger Zeit die Steigung dazu kam und die Spalten größer wurden beschlossen wir am Seil zu gehen. Aufgrund der gestrigen Unterhaltung und der Bilder der Überschreitung war klar, dass womöglich die andere Seite nicht einfach abzusteigen sei und peilten daher nicht die flachste Stelle des Überganges an.

An der Randkluft der gewählten Aufstiegsrinne angekommen, erschien diese nicht so Vertrauenswürdig. Daher beschlossen wir kurzer Hand, dass Philipp vorsteigt und uns nachholt. Hans-Jörg und ich blieben einige Meter abseits. Die Rinne ist länger als gedacht, Philipp Improvisiert einen Zwischenstand und für uns geht es los durch den Schnee und den Felsen. Bis wir alle am improvisierten Standplatz waren, der von Philipp hervorragend und auch vertrauenswürdig aufgebaut war kamen wir ganz schön ins Schwitzen.

Nun kam die letzte Etappe. Philipp stieg wieder vor und einer nach dem anderen wird nachgeholt. Oben angekommen, traute ich meinen Augen nicht! Ein Bild, welches nicht annähernd beschreibbar ist!

Erleichterung kam auf, wir waren oben – es ging nur noch abwärts zur Hütte. Ein bisschen Gletscher, ein bisschen Geröllfeld und zwischenrein noch ein paar Schneefelder. Voller Euphorie ging es Berg ab. Einmal genießen – einmal weiterlaufen nach und nach. Doch nun stellte sich heraus, dass die Spalten zu groß sind, das Wetter zu gefährlich wird und wir wieder aufsteigen mussten, da es von oben noch einen Weg zur Hütte gibt. Ich war mittlerweile Körperlich schon kaputt und konnte nur noch einen Fuß vor den anderen setzen. Wir wussten wir müssen uns westlich halten – doch wo war der Einstieg zum Felsen? Mittlerweile war Regen und Nebel da, es war schon ziemlich spät ca. 18 Uhr. Panik kam in mir auf! Übernachten auf dem Gletscher? Es ist kalt? Haben wir genügend Klamotten dabei? Werden wir erfrieren? Und siehe da, just in diesem Moment sind wir auf dem Felsen angekommen.

Nach einiger Zeit war klar, so einfach werden wir nicht an die Hütte kommen. Ich hörte Wasser und musste feststellen, dass wir Wasserfall um Wasserfall überqueren mussten. Mein Überlebensinstinkt war da, denn Kraft hatte ich keine mehr. Die nächste Hürde stand bevor – eine Schlucht in der sich ziemlich viel Wasser durch die letzten Regentage angesammelt hatte. Michael hatte gleich die Lösung. Er geht mit mir zusammen am Seil. Nun ging das Laufen weiter und weiter.

Ich konnte es kaum glauben vor mir standen im Nebel Steinböcke – und dahinter ganz leicht eine Hütte erkennbar. Meine Anspannung verflog und ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich habe es geschafft! Wir sind da! Doch eines ist sicher: Keinen einen Tag mehr, kann und will ich mir zumuten. Ich freue mich auf den Abstieg ins Tal und auf die Fahrt mit dem „Sarkozy“ (liebevoll auch Jacuzzi genannt, weil ich‘s so mit Wasser hab), mit welchem ich die Jungs einen Tag später am Abstieg der Gaulihütte abholen werde.

Für die anderen geht es am Nächsten Tag noch höher über die Wolken. Sie besteigen bei perfekter Fernsicht das Rosenhorn und kämpften sich dann durch den sulzigen Schnee hinab über den Gauligletscher zur Gaulihütte wo Sie etwas später als geplant eintreffen und nach dem Abendessen müde ins Bett gefallen sind.

In der Zwischenzeit kämpfte ich mich zu Fuß, sowie mit Bahn und Bus Querfeld durch die Schweiz und kam in den Genuss die Nacht am Grimmselsee zu verbringen. Am nächsten Tag während die anderen Ihren Abstieg anpeilten, besuchte ich den wunderschönen Grimmselpass, das Murmeltiergehege und das Bergkristallmuseum…

Eine Tour, welche für mich niemals in Vergessenheit geraten wird. Alleine die unbeschreibliche Landschaft, welche in keiner Form einer Person nähergebracht werden kann, der dies nicht selbst erlebt und gefühlt hat. Gleichzeit in Verbindung mit den Gefahren des Berges, welche tückisch und teilweise versteckt sind. Es braucht jahrelange Erfahrung diesen Weg alleine zu gehen, Mut diese Königsklasse zu betreten und zudem starke Nerven für den Leiter, der Personen mit wenig Erfahrungen führt.

Vielen Dank an Michael für die erfahrungsreiche, lehrreiche und grenzüberschreitende Tour!

Verfasse: Eva Weber